230V Autarkie

Ein paar Gedanken vorab

Unser Kabe war schon bei der Auslieferung mit einem Autarkie Paket versehen. Zu diesem gehört eine 12V Batterie mit einer Kapazität von 115Ah und einer 150W Photovoltaikanlage, die mittels  eines PWM-Reglers die Bordbatterie versorgte.
Uns reichte das jedoch nicht, denn wir wollten auch unterwegs zu jeder Zeit ein hinreichendes 230V System zur Verfügung haben. Wir führten dazu eine Erstinstallation mit notwendigen Komponenten aus und ergänzten zwei Jahre später auf die für uns sinnvolle Anlagengröße, nachdem wir erste Erfahrungen mit der Erstinstallation gesammelt hatten. Unser Nutzungsprofil sieht vor allem vor, dass wir relativ oft alle ein bis zwei Tage unseren Standort wechseln.

Welche Elektrogeräte wir betreiben
Im Caravan-Alltag benötigen wir das 12V Spannungsnetz für die Caravantechnik, wie zum Beispiel Beleuchtung, Pumpen, Lüfter und Sensoriksysteme. Zusätzlich wird ein Mover und eine hydraulische Hubstützenanlage über 12V betrieben.
Das 230V Spannungsnetz bedient die Mikrowelle, den Kaffeevollautomat, den Toaster und andere Küchenmaschinenhelfer, den Fernseher, gelegentlich den integrierten Staubsauger und diverse Ladegeräte für Smartphones, Laptop und Kameraequipment.
Die Großverbraucher wie Herd, Backofen, Heizung und Kühlschrank werden mit Gas betrieben. 

Welchen Strombedarf wir haben
Unser täglicher Durchschnittsverbrauch liegt bei etwa 1,2kWh. Die maximal notwendige Dauerleistung liegt bei 2000W, welche sich über die Dauer von vielleicht 1 Minute aufgrund des gleichzeitigen Betriebs des Kaffeevollautomaten (etwa 1500W), des 12V Ladegerätes der Kabe Bordbatterie (bis zu 350W) und ein paar Smartphone/Kamera Ladegeräte summiert.

Dimensionierung der Anlage

Bei der Auslegung der Anlage gibt es einige physikalische Grenzen zu bedenken. Zum einen treibt die Technik Gewicht, zum anderen benötigt sie Platz. Des Weiteren spielen auch Gesamtkosten eine Rolle. Unter Berücksichtigung aller Faktoren haben wir uns an den Tagesbedarf orientiert.

Der Inverter
Wir entscheiden uns für den Victron Multiplus mit 2000W Nennleistung (3000W Spitzenleistung, kurzzeitig). Das Gerät wiegt 14kg und findet bei uns Platz zwischen Kühlschrank und Bett, also nahe der Achse. Wir legen großen Wert darauf, dass der Inverter nicht das bordeigene Ladegerät der werkseitig installierten Batterie ersetzt. Das System bleibt vollkommen unberührt und wird von der Victron-Anlage genauso gespeist, als wenn Landstrom angeschlossen wäre.

Der Grund liegt auf der Hand: Wir haben einen Ladebooster installiert, der über die Anhängersteckdose durch das Zugfahrzeug während der Fahrt zusätzlich die bordeigene Batterie lädt. Dieser Ladebooster ist nicht geeignet für Batterien, die signifikant größer als 115Ah sind. Wir wollen die Anlage möglichst kompakt und effizient halten und alle verfügbaren Stromquellen zum Laden mit einbinden.  

Die Batteriebank
Bei der Auslegung der notwendigen Kapaziät stehen vordergründig der tägliche Energiebedarf, die maximal abzurufende Leistung und die maximal mögliche relative Entladungsmenge im Blick. Die Batterien sind handelsüblich auf 12V. Um eine gute Lebensdauer zu erzielen, achten wir auf folgende Limitierungen: 

  • Keine Entladung unter 50% der Nennkapazität
  • Keine Überschreitung von 10% der Kaltstartfähigkeit (CCA)
  • Ladestrom von 10 bis 15% der Gesamtnennkapazität ermöglichen

Bei 1,2kWh Energiebedarf pro Tag benötigen wir also bei einem 12V System eine nutzbare Kapazität von 100Ah. Aufgrund der Entladungsgrenze von 50% brauchen wir also eine Mindestnennkapazität von 200Ah. Wir gehen davon aus, dass nicht jeden Tag die Sonne scheint, daher rechnen wir mit dem Bedarf für zwei Tage, also 400Ah.
Wir berücksichtigen die schon existierende Bordbatterie für das 12V Bordnetz mit ihren 115Ah, damit verbleibt also ein zusätzlicher Bedarf von 285Ah.

Der Inverter kann maximal 3000W liefern. Aus Sicherheitsgründen müssen die Batterien demnach einen Kaltstartstrom von 250A ertragen können. Damit die Kaltstartfähigkeit nicht über 10% der Herstellerangaben gerät, bedarf es also einer Herstellerangabe von mindestens 2500A. Diesen Wert bekommen wir nur durch Parallelschaltung mehrerer Batterien hin.

Nach Abwägung aller technischen und finanziellen Parameter der verfügbaren Batterietechnologien entscheiden wir uns für die Spiralzellentechnologie. Ihr Vorteil ist der akzeptable Preis, eine gute Verträglichkeit auch von tieferen Entladungszuständen, sehr hohen Kaltstartfähigkeitswerten, Wartungsfreiheit und keine Probleme bei Minusgraden. Ihr einziger Nachteil ist das hohe Gewicht und der große Platzbedarf im Vergleich zur LiFePo4 Technologie. Wir haben vier Optima Yello Top mit je 75Ah parallel geschaltet. So erreichen wir 300Ah und zusammen 3600A Kaltstartstromfähigkeit. Damit wird die Batteriebank niemals mehr als 7% ihrer maximal möglichen Kaltstartstromfähigkeit leisten müssen.

Die Verbindung mit dem Inverter ist mit 70mm² Kabelquerschnitt und kurzen Leitungen sicher gestellt, damit bei 250A keine thermischen Probleme im Leitungsnetz entstehen. Über ein verbautes Shunt wird die Energiemenge, die die Batterien leisten müssen, gezählt. Eine Grundvoraussetzung, um den Batteriezustand immer im Blick zu haben.

Die Photovoltaikanlage
Bei der Auslegung der maximalen Leistungsfähigkeit spielen einige Faktoren eine wichtige Rolle, vordergründig jedoch die maximal gewünschte Ladestromstärke der Batteriebank. In unserem Fall sind es 15% der maximalen Kapazität, also 45A. Bei einem 12V System ergibt sich daraus eine maximale Leistungsgrenze von 540W.

Wir entscheiden uns für drei 12V Paneele der Firma Victron, Monokristalline mit einer Nennleistung von jeweils 175W. In der Summe erreichen wir demnach maximal 525W und erfüllen unser gesetztes Limit. Wir nutzen zwei Solarregler der Firma Victron, das 75/15 mit maximal 15A Unterstützung bei 12V mit Anschluss einer der drei Platten, und das 100/30 mit maximal 30A Unterstützung bei 12V. Hier werden zwei Platten in Reihe geschaltet angeschlossen. Beide Laderegler liegen parallel geschaltet auf der Batteriebank und stören sich nicht gegenseitig. Durch das interne Netzwerk der Victron-Komponenten wird der Ladezustand zwischen Bulk, Float und Absorption untereinander geregelt.

Wichtig war aber auch die Befestigung der Platten auf dem Dach. Es gibt im Markt verschiedene Spoilersysteme, die auf dem Dach aufgeklebt werden. Die Paneele werden dann auf diesen Spoilern verschraubt. Nachteil dieser Systeme ist die Bindung an die einmal festgelegte Paneel Abmessung. Wenn diese mal getauscht werden sollen, ist ein einfacher Wechsel zu anderen Abmessungen nicht ohne Weiteres möglich.
Deshalb nutzen wir Aluminiumprofile, die sonst zur Installation von Anlagen auf Hausdächern Anwendung finden. Der Vorteil: Durch einfache Klemmsysteme passend zu den Profilen können auch andere Plattenabmessungen genutzt werden, wenn mal ein Tausch anstehen sollte.

Aufbau und Installation

Wir mussten nach drei Jahren Nutzungsdauer das werkseitig montierte 150W Element entfernen, da dieses vermutlich aufgrund einer defekten Shotky-Diode auf der Rückseite nicht mehr funktionierte. Die Platte war mit einem fest montierten Spoilersystem auf dem Dach verklebt. Aufgrund zu wenig Abstand zwischen Dach und Spoiler war ein vorsichtiges Abtrennen weder mit scharfen Klingen, noch mit  Glasschneidedraht möglich. Es blieb nur noch die Möglichkeit mit dem Trennschneider oberhalb der Klebefläche die Platte zu entfernen, ohne das Dach zu beschädigen. Auch deshalb kommen für uns Spoilersysteme generell nicht mehr in Frage.
Bevor es zum nächsten Schritt weiter geht, muss das Dach gründlich gereinigt werden.

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Wir bereiten uns für die neuen Paneele das Schienensystem vor, auf dem wir die Platten später befestigen wollen. Für uns am nächsten greifbar war das System der Firma Würth, aber auch jedes andere System sollte funktionieren, solange es beim Schienensystem bleibt. In der späteren Anordnung werden mittels 35cm langer Stücke acht Schienen pro Paneel benötigt, um eine sichere Befestigung zu gewährleisten. In der Summe fertigen wir 24 Schienen, von denen drei zusätzlich zur späteren Befestigung der Verkabelung Bohrungen für Kabelbinder bekommen. Die Steckverbinder sollen später mit Abstand vom Dach befestigt werden können, damit auch bei stehendem Wasser keine Feuchtigkeit eindringen kann.

Das Material ist aus Aluminium, daher haben wir zur Vorbeugung von Aluminiumkorrosion alle Bauteile grundiert und lackiert. Die Schienen werden später mit Sikaflex, einem hochfesten Silikon, auf dem Dach verklebt. Dazu wird die Klebeseite blank und aufgeraut angeschliffen.

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Wir bauen uns aus Pappe eine Schablone, mit der wir auf dem Dach die Klebepunkte der einzelnen Schienen für die spätere Paneelmontage festlegen und mit Kreppband markieren. Das Verpackungsmaterial der Paneele bietet sich geradezu an. Aber auch die Kabeldurchführung durch das Dach muss positioniert und vorbereitet werden.

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Wir bohren nun zwei Löcher zur Kabeldurchführung durch das Dach, versehen die Bohrungen mit Lack und stellen sicher, dass dieser zu einer Erhöhung führt, damit auch kein Kondenswasser später innerhalb der aufgesetzten Dose nach innen gelangen kann. Wir haben zwei Solarregler, daher benötigen wir auch zwei Durchgangsdosen. Da eine schon von der werkseitigen Platte vorhanden war, ergänzen wir nur eine Dose.

Die Aluminiumschienen positionieren wir passend zu den Markierungen und verkleben diese, nachdem wir zuvor die Klebefläche mit einem Primer versehen haben. Wir ziehen überstehende Klebereste mit einem Spachtel sauber ab und entfernen den Malerkrepp. Der Kleber braucht anschließend 24 Stunden Zeit zum aushärten.

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Wir montieren die Paneele mit den vorbereiteten Klemmen und schließen die Verkabelungen an. Alle Leitungen werden an vorgesehenen Stellen mit Kabelbindern befestigt, Steckverbindungen mit Abstand zur Dachfläche an den Schienen. Es ist wichtig, dass auch bei starkem Wind kein Kabel irgendwo scheuern kann.

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Wir installieren die Batteriebank unter dem Bett, den Inverter direkt im davor liegenden Hochschrank. Alles möglichst nahe der Achse, um wenig Einfluss auf die Gewichtsverteilung zu nehmen. Die Gesamtinstallation zusammen mit den Paneelen, den Batterien und dem Inverter summiert sich zusammen mit allen Kabeln und Befestigungsmaterialien auf knapp 200kg. Das ist bei der verbleibenden Zuladung zu berücksichtigen. Die Batterien bringen rund 120kg auf die Waage, der Inverter 14kg, rund 30kg treiben die Paneele.
Wir installieren auch Bluetooth Sender, um mit dem Smartphone komfortabel alles steuern und überwachen zu können.

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Erfahrungswerte der letzten Jahre

Seit knapp sieben Jahren haben wir die erste Installationsstufe der Anlage in Betrieb. Mit der letzten Erweiterung sind wir seit vier Jahren auf Achse. Wir nutzen das Fahrzeug ganzjährig bei allen Wetterbedingungen. Die Batteriebank arbeitet noch tadellos und zeigt bisher keine signifikanten Verschleißerscheinungen.

Wir beobachten von den Paneelen folgende erzeugte Energiemengen pro Tag:

  • Mitteldeutschland Juni/Juli: Bei Sonne etwa 450W gegen Mittag, bis zu 1,8kWh pro Tag. Bei Schlechtwetter gegen Mittag etwa 60W gegen Mittag, etwa 0,4kWh pro Tag.
  • Mitteldeutschland  Dezember/Januar: Bei Sonne etwa 80W gegen Mittag, bis zu 0,3kWh pro Tag. Bei Schlechtwetter ist kein signifikanter Ertrag zu erwarten.
  • Nordspanien Juni/Juli: Bei Sonne etwa 525W gegen Mittag, bis zu 2,5kWh pro Tag. Bei Schlechtwetter gegen Mittag etwa 100W gegen Mittag, etwa 0,7kWh pro Tag.
  • Spanische Ostküste Dezember/Januar: Bei Sonne etwa 280W gegen Mittag, bis zu 1,4kWh pro Tag. Bei Schlechtwetter gegen Mittag etwa 40W gegen Mittag, etwa 0,3kWh pro Tag.
  • Mittelnorwegen Juni: Bei Sonne etwa 435W gegen Mittag, etwa 2,3kWh pro Tag.

Die reinen Materialkosten belaufen sich auf mehr als 5000€. Im direkten Vergleich mit den Kosten von Landstrom ist daher die Installation einer Photovoltaikanlage im Campingsektor keine Kostenersparnis. Vielmehr ist es eine Investition in die zugewonnene Autarkie, also der Unabhängigkeit fremder elektrischer Energiequellen. Die Anlage bietet aber nicht nur den Vorteil der ständigen Verfügbarkeit elektrischer Energie unterwegs. So sind viele Campingplätze bei Landstromanschluss auf maximal 5A bis 6A limitiert. Wer einen Kaffeevollautomat oder andere Geräte mit aufsummierten Leistung über 1100W betreiben will, wird sich auf diesen Plätzen daher einschränken müssen, wenn nicht über die eigene Installation Strom ergänzt werden kann. Der Victron Multiplus Inverter ist in der Lage, auch Energie zu vorhandenem Landstrom störungsfrei und sauber zu ergänzen.
Wir sind mit unserer Installation soweit zufrieden. Sie liefert uns, was wir benötigen und hat bisher keine technischen Probleme bereitet.